Meeresbiologe Udo Engelhardt beim Vortrag. Fotos: Kloer


Aufrüttelnd und eindringlich, so war der Vortrag zum Thema Klimawandel des Meeresbiologen Dr. Udo Engelhardt. Aber er machte seinen zahlreichen Zuhörern am Mittwochabend auch Hoffnung. Am Ende stand fest: Jetzt wollen auch die Rüthener aktiv werden. Die Bürgergemeinschaft (BG) versucht sich als Vorreiter.

Von Marcus Kloer

Rüthen – Es kommt auf die nächsten zehn Jahre an. Das stellte Dr. Udo Engelhardt ganz klar. Deshalb drängte er jeden Einzelnen und die Politik zum Handeln. Wir haben das Wichtigste in Fragen und Antworten.

Worum ging’s?

Die BG Rüthen hatte gemeinsam mit der Bürgergemeinschaft auf Kreisebene zu dem Vortrag unter dem Thema „Klima 2.0 – Was kommt! Was tun?“ in die Maximilian-Kolbe-Schule eingeladen. Rüthens BGFraktionschefin Annette Herbst-Köller und Kreisvorsitzender Robert Bigge begrüßten die Zuhörer in der gutbesetzten Mensa. Besonders erfreut waren sie über das Interesse vieler Schüler. Klimawandel sei schon seit Jahren ein Thema, doch hätten lange wirtschaftliche Themen im Vordergrund gestanden. Nun sei der Klimawandel in den Fokus gerückt – auch vor Ort. Mit Blick auf den gebeutelten Wald. Und auch hierzulande ist das Grundwasser gesunken.

Wer ist Dr. Udo Engelhardt?

Als Meeresbiologe ist die Ökologie sein Thema. Natursendungen wie die Unterwasseraufnahmen von Jacques Cousteau haben ihn als Jugendlichen fasziniert. Er studierte Meeresbiologie in Australien. Danach forschte er an Korallenriffen, die er auch als Klimawächter vorstellte. So, wie einst erstickte Kanarienvögel den Bergleuten unter Tage schädliche Gase anzeigten, indizieren Korallenriffe die Erderwärmung.

Wie steht es um den Planeten?

Einst, in vorindustrieller Zeit, gab es das „Klima 1.0“. Heute sind wir längst abgerutscht – und nun warnt Engelhardt vor dem „Klima 3.0“.

In den vergangenen 150 Jahren haben die Ozeane ca. 90 Prozent der durch CO2 gefangenen Wärme aufgenommen. In der Folge hat sich das Meerwasser deutlich erwärmt. Aber: Die Wärmeaufnahmefähigkeit ist nicht unbegrenzt möglich. Außerdem ändert sich der pH-Wert, was Auswirkungen auf die Nahrungskette hat. Engelhardts Vorwurf: Die Ölkonzerne hätten zu den Folgen der CO2-Emissionen schon vor Jahren geforscht und wussten Bescheid.

Im Klartext: Der Klimawandel ist auch bei uns, wir sitzen mitten drin. Denn: Historisch betrachtet war die Welt auf dem Weg in eine neue Eiszeit, was heute schon technisch unmöglich sei. Das CO2 in der Atmosphäre sei langlebig, Deutschland weltweit auf Platz vier der bisherigen Emissionen. Eine Folge sind klimatische Extremereignisse. Von 1881 bis 2018 habe sich die Temperatur global um 1,1 Grad Celsius erwärmt, in Deutschland sogar um 1,5 Grad. Alle zehn Jahre wird ein weiterer Anstieg der Temperatur um 0,2 bis 0,4 Prozent erwartet. Die Folgen sind schon jetzt sichtbar: Wassermangel. Ernteausfälle. Und in Zukunft: bitterkalte Winter auch bei uns. Denn der Golfstrom schwäche sich ab und werde wegen abschmelzender Gletscher umgeleitet.

Zugleich sorgen die Schmelzraten des Grönlandeises aber auch für eine noch stärkere Erderwärmung. Denn wenn die Schneedecke weicht, reflektiere der weiße Schnee die Wärme nicht mehr. Und: Das Auftauen des Permafrostbodens setzt das klimaschädliche Gas Methan frei. Schlimmer macht das Ganze noch Fracking, wie es zum Beispiel in den USA geschieht. Dabei entweichen jede Menge Gase. Dazu präsentierte Engelhardt zahlreiche erschreckende Zahlen. Mit dramatischer Bedeutung.

Lässt sich noch gegensteuern?

Denn: Wenn die Erdtemperatur sich um weitere zwei Grad erwärmt, könne der Klimawandel nicht mehr kontrolliert werden. Wir bewegen uns auf einen irreversiblen Kipp-Punkt zu, warnte Engelhardt. Grundlage seien wissenschaftliche Berechnungen. Trete der Fall ein, hätten 220 Jahre Industriegeschichte den Effekt von Millionen Jahren Erdgeschichte.

Bei ähnlichen Temperaturen starben seinerzeit viele Lebewesen aus. „Die Zeit wird knapp, wir sind bei jetzt oder nie angekommen.“

Gibt es Hoffnung?

Nach den aufrüttelnden Daten machte Dr. Udo Engelhardt Hoffnung. Bis zu dem Jahr 2050 müsse die Welt bei netto null Prozent Emissionen sein. Auf dem Weg dahin müssten die Emissionen 2030 schon halbiert worden sein. Die Technik sei heute schon vorhanden. Solar, Wind und Batteriesysteme hätten in den nächsten zehn Jahren das Potenzial, fossile Energien zu ersetzen.

Ja: Für Politik und Industrie gebe es bereits das Kochbuch mit Rezepten, mit denen das Klima vor den schlimmsten Folgen gerettet werden soll. Bei einer weltweiten Aufgabe müsse man global denken – entscheidend sei der politische Wille. Investitionen in und Subventionen von fossilen Energien sollten gestoppt werden. Irland habe es vorgemacht. Die Politik sei bei uns aber zu langsam, zu verflochten mit der Wirtschaft.

Was sagt er zu Greta Thunberg?

Er würde jede Rede von Greta Thunberg unterschreiben, brach Engelhardt eine Lanze für die fokussierte Klimaaktivistin. Sie beziehe sich auf wissenschaftliche Fakten.

Was kann man selbst tun?

Neben der großen Politik kann auch im Kleinen gehandelt werden. Weniger fliegen, weniger Fleisch, bessere Wärmedämmung und ähnliches. Aber die Menschen können auch zu der größten Lobby werden, sich Interessen der Wirtschaft widersetzen, politischen Druck ausüben, wählen und demonstrieren.

Maßnahmen nach vorne bringen, könne zwar auch in der Lokalpolitik ein hartes Brot sein – aber es sei wichtig. Gemeinsam könne man sich engagieren, zu Veranstaltungen fahren und mehr. Herbst-Köller pointierte: Für 29 Euro kann man nach England fliegen, eine Busfahrt nach Lippstadt kostet fast zehn Euro. Sie lud parteiübergreifend zum Handeln ein.

Wie wichtig den Rüthenern das Thema ist, zeigten viele interessierte und teils fachlich belesene Fragen.

Interessengruppe

In Rüthen gründet sich nun eine Interessengruppe, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen und auch etwas konkret vor Ort bewegen will. In eine entsprechende Teilnehmerliste haben sich an diesem Abend bereits rund 15 Personen eingetragen, erklärte Annette Herbst-Köller auf Nachfrage. Weiterhin sind Interessierte willkommen. Zeitnah wolle man sich treffen und gemeinsam überlegen, wie man in Rüthen gegensteuern könnte. bis